Folge 55 - Aidshilfe Essen - Daniela Flötgen
Shownotes
🦠 HIV & Aids – Was wissen wir eigentlich wirklich? Ein Virus, das Essen und die Welt verändert hat. Eine Krankheit, die stigmatisiert wurde wie kaum eine andere. Ein Verein, der seit 40 Jahren Brücken baut – zwischen Wissen und Schutz, zwischen Vorsicht und Akzeptanz.
🎙 Zu Gast: Daniela Flötgen, Geschäftsführerin der Aidshilfe Essen Mit ihr sprechen wir über die wilden 80er, die Angst, die Aufklärung – und darüber, wie sich die Aidshilfe Essen für Betroffene stark macht. Was braucht es, damit Prävention weiter wirkt? Wann wird aus Vorsicht Diskriminierung? Und wie normal ist ein Leben mit HIV heute wirklich?
💡 Und ganz nebenbei: Wie Daniela Flötgen seit über 20 Jahren mit Herz, Humor und Leidenschaft für Aufklärung sorgt – ohne Panik, aber mit viel Power.
Zur Aidshilfe Essen.
In "Zuhause in Essen" spricht die Sparkasse Essen nicht über die gute alte Zeit. Wir sprechen über das, was Essen schon heute besonders attraktiv macht und was nach der Zeit der Ruhrkohle noch Magisches passieren wird. Immer mit Gästen, die Gegenwart und Zukunft auch gestalten. Und wenn WDR Moderator Tobias Häusler einmal in den Rückspiegel schaut, dann nur um die Spur wechseln zu können.
Jeden zweiten Dienstag im Monat ein spannender Gast - aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Sport, Kultur, Ehrenamt… Und ein ungewöhnlicher Blick auf unsere schöne Stadt.
Transkript anzeigen
00:00:00: Diskriminierung ist eigentlich immer noch eines der großen Schwachstellen in der ganzen Geschichte von HIV und AIDS.
00:00:08: Ich sage einfach immer Fragen stellen. Also ich glaube das Beste ist nichts vorauszusetzen,
00:00:13: sondern wenn man Angst im Umgang mit Menschen hat, egal woher sie kommen und was mit ihnen ist, Fragen stellen.
00:00:19: Wenn man sich selber mal vorstellt, man teilt sich ein Glas mit einem Menschen mit HIV,
00:00:27: dann denkt man vielleicht ja klar, es ist kein Problem. Aber wenn man es dann tut,
00:00:31: ist es noch mal eine ganz ganz andere Art und Weise der Überwindung und das ist eben etwas,
00:00:35: das müssen wir einfach dauerhaft bekämpfen.
00:00:38: Zu Hause in Essen, ein Podcast der Sprachkasse Essen mit Tobias Häusler.
00:00:45: Herzlich willkommen gerade Ihnen, ganz persönlich, Folge 55.
00:00:51: Das sind die ganze Menge, wenn wir genau einmal im Monat eine rausbringen.
00:00:55: Abonnieren Sie uns, leiten Sie die Folge weiter an alle, die hier in Essen wohnen und wissen wollen,
00:01:00: was diese Stadt heute schon besonders macht und morgen noch besser, weil es um mehr als Geld geht.
00:01:06: Das ist immer ein echtes Gespräch, immer persönlich von Mensch zu Mensch, keine einzige Videokonferenz ist dabei.
00:01:11: 55-mal saß ich allen Gästen gegenüber, selbst in Corona-Zeiten, das war eine Aufregung,
00:01:17: hätten auch große Angst haben können, dass wir lieber auf Distanz gehen, aber das hat das Virus nicht geschafft.
00:01:22: Wir haben gut aufgepasst, ich nenne das mal ein Festival der Tests, aber wir sind eben nicht auf falsche Distanz gegangen
00:01:28: und sie merken langsam worauf ich hinaus will. Wir sind heute bei der AIDS-Hilfe Essen.
00:01:33: Die müssen umgehen mit dem wohl immer noch berüchtigsten Virus, mit HIV.
00:01:39: Seit 40 Jahren auch zwischen den Welten, die AIDS-Hilfe will warnen vor einer HIV-Infektion,
00:01:45: aber gleichzeitig arbeitet sie daran, dass wir mit Erkrankten umgehen, wie mit jedem anderen, mit jeder anderen auch.
00:01:51: Es gibt Medikamente, die echt gut sind, aber die Prävention darf keinen deut nachlassen.
00:01:56: Und wie sieht dann die richtige Vorsicht aus? Und wann wird Vorsicht Diskriminierung?
00:02:02: Wir treffen auf die wohl angeblich oft gut gelaunte Geschäftsführerin der AIDS-Hilfe Essen.
00:02:09: Wir treffen Daniela Flötkin. Ich muss eine Frage vorab klären, bei der Internetrecherche auch in den Systemen der Sparkasse fällt auf.
00:02:15: Es gibt wohl zwei Daniela Flötkin, egal wohin man schaut, ähnliches Alter. Es gibt eine Doppelgängerin?
00:02:21: Ich kenne die. Ja, es gibt sie. Die ist in Delvis, glaube ich, wohnt sie.
00:02:27: Unsere Kinder sind zusammen im Kindergarten gegangen.
00:02:30: Das gibt es nicht.
00:02:31: Genau, die hat auch eingeheiratet in die Familie Flötkin.
00:02:34: Und heißt auch Daniela, oder?
00:02:35: Heißt auch Daniela Flötkin. Ich sehe auch E-Mails für sie manchmal noch.
00:02:38: So, und dann dachte ich Daniela Flötkin, gibt nämlich die, die sich hier bei der AIDS-Hilfe engagiert,
00:02:43: sondern auch das Hobby hat unsere Außenministerin, Annalena Baerbock, das Trampolin-Springen.
00:02:48: Genau, das ist die andere.
00:02:49: Das heißt, ich kann meinen ganzen vorbereiteten Absatz über das Trampolin-Springen bei Ihnen streichen.
00:02:54: Vermutlich können Sie das, ja.
00:02:55: Okay, dann sind wir in 10 Minuten durch.
00:02:57: Was haben Sie denn für Hobbys?
00:03:00: Im Moment spiele ich Bett mit ihnen. Ich war aber ganz lange auch Fußballerin.
00:03:04: Ah, okay, Frauenfußball, dann in der Jugend?
00:03:07: Genau, also ich habe mit 12 angefangen und mit 28 dann im Rahmen meiner Weiterbildung nach dem Studium dann aufgehört.
00:03:15: Und dann kam das Kind und dann hört man auf.
00:03:17: Und da muss ich aber sagen, in Frintrop?
00:03:20: In Frintrop und hab nachher in heißen noch gespielt.
00:03:22: Dann waren Sie aber früh mit Frauenfußball dran, ne?
00:03:24: Ja, also wir haben die Mädchenmannschaft in Frintrop, im SC Frintrop, nicht in Adler-Frintrop, sondern SC Frintrop aufgemacht.
00:03:31: Damals hieß es noch Jusbo Frintrop und dann sind wir da geblieben.
00:03:35: Ansonsten haben wir thematisch genug zu tun hier heute bei der ACL für Essen.
00:03:39: Wir sprechen über HIV und AIDS.
00:03:41: Wir sprechen gern auch über die 80er Jahre, diese Gründungsjahre, über Trends der Aufmerksamkeit, auch der Ignoranz dieses Themas und welche Rolle ihr Verein heute spielt.
00:03:52: Ich hätte fast gesagt, vermutlich hätten wir beide nichts dagegen, wenn aus diesem Verein irgendwann mal ein Museum wird.
00:03:58: Aber das stimmt nicht, weil sie auch ohne HIV ein ganz besonderes Netzwerk wären.
00:04:05: So habe ich das bei der Vorbereitung irgendwie empfunden.
00:04:07: Also eine Schutzinstanz, die dann im Grunde nur schnell einen neuen Namen bräuchte und weitermachen sollte.
00:04:12: Ja, vielen Dank.
00:04:13: So ähnlich empfinde ich das auch.
00:04:15: Wir haben tatsächlich ein großes Netzwerk, nicht nur ein Kooperationspartner, sondern auch ein Themen- und ein Portfolio.
00:04:21: Und ich glaube schon, dass die ACL für auch ohne HIV existieren könnte, aber wir wollen nicht.
00:04:26: Die ACL für auch ohne HIV existieren.
00:04:28: Legen wir los.
00:04:30: Der Name ACL für Essen.ev.
00:04:41: Bitte singen Sie nochmal ihren wahrscheinlich größten Hit in Kürze.
00:04:47: HIV und AIDS.
00:04:49: Ein wichtiger Unterschied, nur damit wir alle die Begrifflichkeit einmal klar haben.
00:04:53: Was ist das HIV? Was ist das HIV-Virus?
00:04:56: Das HIV-Virus ist eben der Virus, mit dem man sich infiziert.
00:04:59: Und AIDS ist die symptomatische Erkrankung, die man erwirbt oder erwerben kann, wenn HIV ausbricht.
00:05:05: Also HIV reichert sich, ich bin natürlich leier, im Blut an.
00:05:10: Und es gibt so einen Kipppunkt im Körper, an dem AIDS als Krankheit ausbrechen könnte.
00:05:14: Genau. Also es wird in der Regel so sein.
00:05:17: Es gibt manche, die es selber self-controllen können.
00:05:20: Allerdings ohne medizinische Behandlung würde jedes HIV-Virus im Blut.
00:05:25: So die Viruslast würde so weit steigen, dass man dann opportunistische Erkrankungen bekommt.
00:05:30: Das heißt andere Erkrankungen, die, wenn das Immunsystem einbericht, ausbrechen.
00:05:35: Was kann man self-controllen?
00:05:37: Es gibt einige wenige Menschen, die können den HIV-Virus self-controllen.
00:05:42: Also die Viruslast steigt nicht und man bekommt keine opportunistischen Erkrankungen.
00:05:46: Aber das sind halt wirklich sehr, sehr wenige gut durchforschte Menschen.
00:05:49: Woran das denn liegt?
00:05:51: Und natürlich gibt es da auch ein großes Interesse daran,
00:05:55: das auch für die Heilungsforschung mit einzusetzen.
00:05:57: Das ist mittlerweile schon wirklich durchexhaussiert.
00:05:59: Und daher kommen ja auch Handlungsansätze.
00:06:02: Als vom HIV-Virus Betroffener bemerke ich nichts vom Virus?
00:06:09: Naja, zunächst nichts.
00:06:12: Man könnte natürlich einen grippalen Infekt bemerken.
00:06:16: Zu Anfang der Infektion, danach aber meist erstmal sehr, sehr schleichend.
00:06:21: Wow, okay.
00:06:23: Und die Krankheitssyntome von AIDS sind dann alle Krankheiten,
00:06:26: die möglich sind durch ein schwaches Immunsystem?
00:06:28: Ja, so ziemlich.
00:06:30: Oft ist es dann durch eine Pilzinfektion oder eine Krebserkrankung,
00:06:32: wo es dann am Schluss ausbrücht,
00:06:34: wenn man dann wirklich durch die AIDS-Erkrankungen erst von der HIV-Infektion erfährt.
00:06:37: Was heutzutage leider auch sehr, sehr üblich ist.
00:06:40: HIV-Infektionen, ich weiß nicht, ist das meldepflichtig?
00:06:44: Also bei ärztlicher, nicht anonymer Diagnose
00:06:47: fließe ich da als Betroffener, als Betroffener in eine Statistik ein?
00:06:51: Nee, es ist nicht meldepflichtig.
00:06:53: Da gibt es andere, wie Tuberkulose, die werden meldepflichtig.
00:06:56: Aber sie werden schon beim RKI auch gemeldet, anonymisiert,
00:06:59: um eine Statistik zu erfassen.
00:07:01: Die stellen aber gerade ihr System auch um.
00:07:03: Was heißt das?
00:07:05: Ja, es wird nicht mehr so erfasst.
00:07:07: Und die Kategorisierung wird anders.
00:07:09: Also, man kann jetzt nicht mehr gut nachhalten,
00:07:12: wer aus welchem Hintergründen, wer wo diagnostiziert wurde.
00:07:18: Verstehe, also den Weg bis zur Erkrankung nicht,
00:07:20: aber die Fallzahlen hätte man dann schon.
00:07:22: Wir sind zu Hause in Essen,
00:07:24: wie viele Menschen sind hier positiv auf HIV getestet?
00:07:27: Auf HIV getestet, kann man so genau nicht sagen,
00:07:30: weil wir ja eine große HIV-Ambulanz haben,
00:07:32: die auch ein weiteres Einzugsgebiet hat.
00:07:34: Die hat 2.000 Patient*innen.
00:07:37: Wir sagen aber, hier in Essen leben vermutlich 2.500 Menschen,
00:07:41: 1.000 Menschen mit HIV.
00:07:43: Ich weiß jetzt, die Frage geht jetzt doch,
00:07:45: bei wie vielen ist die Krankheit AIDS ausgebrochen?
00:07:47: Also, wie viele sind es?
00:07:48: Sind AIDS erkrankt?
00:07:49: Das kann man so nicht sagen.
00:07:51: Mit einer AIDS-Erkrankung bleibt man ja auch nicht AIDS-erkrankt.
00:07:53: Also, viele dieser Erkrankungen können ja auch nochmal ausgehalten werden.
00:07:57: Dann behält man zwar seinen AIDS-Status,
00:07:59: aber man lebt ja wieder gesund
00:08:02: und kann natürlich auch wieder ein intaktes Immunsystem erhalten.
00:08:07: Eben Sie gerade so ein bisschen, ich hake jetzt mal so Fakten einfach mal so ab und zahlen,
00:08:11: dass alles einfach mal so Basis wissen.
00:08:13: Wie entwickeln sich denn die Zahlen in unserer Stadt seit den Gründungsachzigerjahren?
00:08:16: Tatsächlich bleiben die Zahlen sehr stabil.
00:08:18: Wir schätzen die Zahlen in Essen auf 2.500 Menschen mit HIV.
00:08:22: Neu Diagnosen kann man nicht genau erfassen,
00:08:25: weil beim RKI das nicht nach Stadt erfasst wird,
00:08:28: sondern nur die vom Gesundheitsamt, die die vom Gesundheitsamt diagnostiziert werden,
00:08:33: bleiben stabil seit den Achtzigern.
00:08:35: Ich war mal bewusst ganz offen, weil ich keine Klischees in den Raum stellen will.
00:08:41: Gibt es die typischen Betroffenen, bestimmte Zielgruppen,
00:08:45: mit denen Sie seit den Achtzigern zu tun haben und verändern die sich auch?
00:08:48: Ja, natürlich sind Männer, die Sex mit Männern haben in Deutschland immer noch die größte Gruppe von Menschen mit HIV.
00:08:56: Das wird auch so bleiben auf lange Sicht gesehen.
00:08:59: Dennoch sind die Neuinfektionen schon ganz anders verteilt.
00:09:03: Also, den heterosexuelle Kontakte steigen schon auf 20 Prozent.
00:09:07: Und wir haben auch dieses Mal das erste Mal vom RKI-Rückmeldung gekommen,
00:09:11: dass Neu Diagnosen auch im Rahmen von substanzkonsumierenden Menschen sich verdoppelt haben,
00:09:15: von 10 Prozent Neu Diagnose auf 20 Prozent Neu Diagnosen,
00:09:18: als auch das eine Zahl, wo man mal ganz genau hingucken muss.
00:09:21: Drogen, Milieu, Verunreinigte oder Doppelt, mehrfach genutzte Spritzen, so was?
00:09:25: Genau.
00:09:26: Das war ja lange überall Thema.
00:09:29: Man kam ja nicht drumherum, und zwar nicht nur in den End-Achtzigerjahren,
00:09:33: sondern auch in den Neunzigern.
00:09:34: Ich erinnere mich an Serien wie Lindenstraße, natürlich, Marienhof,
00:09:39: Streets of Philadelphia, also auch Hollywood-Thema, AIDS als Hollywood-Thema.
00:09:43: Täusch ich mich oder ist das weg?
00:09:45: Ja, das große Damoklesschwert ist weg, was wir auch sehr schätzen.
00:09:50: Also, wir wollen keine Angst vor HIV oder AIDS.
00:09:53: Das macht gar keinen Sinn in heutiger Zeit.
00:09:55: Dafür ist es auch einfach viel zu gut behandelbar.
00:09:58: Dennoch wäre natürlich schön, wenn Menschen nochmal eine weitere Offenheit dazu hätten,
00:10:03: sich auch selber als Zielgruppe zu betrachten, denn das ist das, was heutzutage wirklich
00:10:07: sehr selten ist, dass Menschen, die in der Öffentlichkeit sind, sich dem Thema überhaupt annehmen
00:10:13: und sich darüber informieren oder auch Menschen mit HIV als Menschen in unserer Gesellschaft wahrnehmen.
00:10:20: Zeigen diese, haben die überhaupt Lust darauf, zeigen die sich denn HIV-betroffene
00:10:24: und sagen, schaut mich an.
00:10:26: Das ist ein Beispiel eines Menschen, der so stark ist, auch auszuhalten, es zu sagen
00:10:31: und dafür auch Werbung zu machen, mit mir ganz normal umzugehen und damit auch mit anderen Betroffenen.
00:10:35: Ja, die Deutsche AIDS-Hilfe hat ja eine ganz, ganz große Kampagne gestartet, genau von den positiven Gesichtern.
00:10:42: Auch da haben wir jemanden aus Essen, der da auch mitmacht, ein Mensch mit HIV,
00:10:47: ein Mann mit HIV, der seine Geschichte erzählt und dafür wirbt, mit ihm ganz normal umzugehen.
00:10:53: Auch das ist eine ganz spannende Entwicklung. Auf der einen Seite gab es diese ganz klare Präventionskampagne,
00:10:59: "Passt auf euch auf", "Kondome schützen" und alles, was danach kam.
00:11:04: Jetzt erinnere ich mich, glaube ich, auch noch, aber das lassen sie 10, 15 Jahre her sein an Plakate.
00:11:09: Da sitzt einer am Schreibtisch, Kolleginnen und Kollegen drum herum
00:11:12: und so die Botschaft ist sinngemäß, ich bin einer von euch.
00:11:15: Also auf der einen Seite sagen sie, alles normal übt einen normalen Umgang mit den Betroffenen.
00:11:21: Auf der anderen Seite passt höllisch auf vor dieser möglich, wer weiß, tödlich endenden Krankheit.
00:11:26: Also es ist eine unheimliche Spannungsfeld, in dem sie arbeiten müssen.
00:11:29: Ja, absolut. Das ist wirklich das, womit wir uns tagtäglich beschäftigen.
00:11:32: Wir müssen Leute aufklären, damit sie sich diagnostizieren lassen, HIV-Tests machen.
00:11:36: Denn ohne HIV-Tests und ohne Diagnose, keine Behandlung und ohne Behandlung, keine Versorgung
00:11:42: und wenn man nicht versorgt ist, wird man AIDS erkranken in den meisten Fällen
00:11:46: und damit ist es ein Problem.
00:11:48: Ist man aber gut behandelt, ist HIV wirklich kein Problem im Alltag.
00:11:52: Man kann wirklich normal mit der Erkrankung, mit der Infektion leben,
00:11:56: ohne eine Erkrankung zu bekommen und kann auch, hat eine ganz normale Lebenserwartung
00:12:00: und kann Alltag und Beruf sehr gut genießen.
00:12:03: Und jetzt kommen sie und ihr Vereinenspiel und ihre ja wirklich vielseitige Hilfe.
00:12:08: Sie scharren ja inhaltlich schon mit den Hufen, wie wir junge Leute sagen.
00:12:13: Ich spür das. Los geht's.
00:12:15: [Musik]
00:12:22: Also erstmal die magische Grimme-Preisfrage, was tut die AIDS-Hilfe essen?
00:12:27: Würden Sie sagen, hauptsächlich hilft sie Menschen mit AIDS erkranken?
00:12:30: Nein, das ist nicht der Kern.
00:12:32: Wir helfen eher Menschen mit einer HIV-Infektion dabei den Alltag zu bewältigen,
00:12:38: vor allem in der Startzeit nach der Diagnose
00:12:41: und eben auch den Menschen, die nicht so gut mit ihrem Leben zurechtkommen,
00:12:45: vielleicht auch ohne Infektion nicht gut zurechtgekommen wären.
00:12:48: Weil so eine positive Diagnose jemand komplett aus dem Leben rauswerfen kann
00:12:54: oder liegt das schon an den speziellen Zielgruppen, die Sie erwähnt haben?
00:12:57: Ich würde es auch gar nicht an Zielgruppen festmachen,
00:12:59: dass durchzieht alle Zielgruppen, manche von denen können halt einfach im Alltag gut leben
00:13:04: und andere sind aber eben auch vorbelastet, wie jeder Mensch in der Gesellschaft.
00:13:08: Die einen haben Depressionen, die nächsten haben eine Suchterkrankung,
00:13:12: andere sind sehr vereinsam zu Hause und sehr isoliert
00:13:16: und die Menschen finden dann bei uns länger Anschluss als nur für die erste Kontaktaufnahme.
00:13:22: Ich verstehe schon richtig, das sind Menschen, die, wie haben Sie das mal gesinnt,
00:13:28: mühselig beladen oder Vorgänger?
00:13:31: Das war der erste Geschäftsführer hier, das war sein Schlagwort.
00:13:34: Ich wollte es vermeiden heute zu sein, weil ich sage auch immer, ich finde es schlimm ist zu sagen,
00:13:39: aber es sind wirklich die mühselig beladenen.
00:13:42: Und dann kommt meist noch mal so eine HIV-Infektion obendrauf und dann sind Sie, verstehe, bei Ihnen dann hier richtig.
00:13:49: Wir sitzen hier übrigens, ich kann vom Fenster aus die alte Synago gesehen, auch eine spannende Folge übrigens,
00:13:53: aber auch gerade noch zu Gast.
00:13:55: Also hier Hotel Shanghai ist auch in der Nähe, wahrscheinlich passt das eher zu Ihnen.
00:14:00: Wie viele Menschen sind hier, die sich engagieren?
00:14:02: Auch ehrenamtlich?
00:14:03: Ehrenamtlich sind so um die 50 Menschen und ich meine, die Mitglieder engagieren sich ja theoretisch auch,
00:14:08: das sind ebenfalls so um die 50 und wir haben jetzt nach den Kürzungszenären des letzten Jahres noch 38 Mitarbeitende.
00:14:14: 38 Vollzeitfestangestellte?
00:14:17: Nicht Vollzeit, Vollzeit sind wir ungefähr bei 30 Vollzeitequivalenten, aber...
00:14:21: Okay, geben wir mal durch.
00:14:23: Ambulant betreutes Wohnen, was machen Sie da?
00:14:27: Wo sind diese Menschen so eingeschränkt, dass Sie Ihre Hilfe beanspruchen?
00:14:31: Ja, wir haben das da über zwei Paragrafen.
00:14:34: Wir machen das einmal für Menschen, in besonderem sozialen Schwierigkeit,
00:14:37: das ist also eher gefährdet in Hilfe, wohnungslose Menschen oder denen Wohnungslosigkeit droht,
00:14:43: da auch oft Substanzkonsum kombiniert und dann haben wir noch ambulant betreutes Wohnen für Menschen mit einer psychischen oder seelischen Behinderung.
00:14:50: Dann haben Sie ein Café hier, wir haben fast schon eingeladen worden mit Mittagstisch.
00:14:55: Für wen ist der? Wer kommt dorthin?
00:14:57: Eigentlich alle, die kommen wollen.
00:14:59: Es ist ein Sozialcafé, wenn man es so will.
00:15:02: Es ist wirklich für Menschen, die hier einen Alltag verbringen,
00:15:05: Menschen, die von uns hier betreut werden, aber auch welche, die sich uns einfach zugehörig fühlen
00:15:10: oder die einfach täglich kommen, weil sie zu Hause zu einsam werden und für die haben wir hier auf.
00:15:14: Und das hätte jetzt mit der Infektion gar nicht zu tun?
00:15:16: Nein, ganz viele unserer Angebote haben mit HIV und AIDS nichts mehr zu tun.
00:15:21: Also was heißt nichts mehr zu tun, aber die sind nur noch am Rande.
00:15:24: Also von unserer Klientel sind, also die, die wir wirklich jeden Tag hier haben,
00:15:28: sind ungefähr noch 40 Prozent wirklich infiziert.
00:15:32: Ach, interessant.
00:15:34: Diese ganzen handfesten Betreuungsangebote, Hilfsangebote sind das eine,
00:15:39: betreutes Wohnenambulant, das Café.
00:15:42: Beratung bieten Sie auch an, glaube ich, eine wichtige Säule.
00:15:45: Das kann aber alles sein. Wer kommt da mit welcher Frage?
00:15:48: Kommt da frisch HIV-Positivgetestete zu Ihnen? Mit welchen Fragen?
00:15:51: Ja, wir haben insgesamt drei Fachberatungsstellen.
00:15:55: Die eine ist für straffälligen Hilfe.
00:15:57: Das heißt, da kommen tatsächlich, also entweder Gen-Diniotor-Ahn oder nachher,
00:16:01: sind es Haftentlassende.
00:16:03: Dann haben wir die mannendliche Sexarbeit.
00:16:05: Also da dreht sich natürlich ganz viel um das Thema Sexarbeit,
00:16:08: aber eben auch HIV-Infektion.
00:16:11: Und dann haben wir die klassische Beratungsstelle für Menschen mit HIV
00:16:14: oder eben den, die sich testen lassen wollen.
00:16:17: Und hier die Fragen stellen rund um Rente, Schwerbehinderung oder eben auch,
00:16:22: wo kann ich mich testen lassen, wo ist der nächste Arzt?
00:16:25: Also Diskriminierung ist tatsächlich ein medizinischem Bereich
00:16:28: sehr, sehr groß geschrieben und das ist natürlich auch etwas,
00:16:31: wo sich viele Betroffene an uns wenden und sagen,
00:16:34: ich brauche einen neuen Arzt, ein neues Gesundheitssystem um mich herum.
00:16:38: Wie ist das mit Präventionen?
00:16:40: Also Informationen für Schülerinnen und Schüler?
00:16:42: Kann man da auch auf Sie zukommen?
00:16:44: Auch das haben wir ja.
00:16:46: UseWork haben wir auch.
00:16:48: UseWork.
00:16:50: Das machen wir vor allem außerschulisch in der AIDS-Hilfe.
00:16:53: Es gibt noch drei weitere Träger, nämlich die CSE, die Diakonie und die AWO.
00:16:57: Die gehen vor allem in Schulen rein.
00:16:59: Wir unterstützen das an der einen oder anderen Stelle.
00:17:02: Also Aufgaben gehen Ihnen nicht aus?
00:17:05: Nein, tatsächlich nicht.
00:17:07: Unsere fehlende Informiertheit und auch falsche Informiertheit
00:17:12: gründe und die liegen 40 Jahre zurück.
00:17:15: Ein Virus und eine Krankheit, eine Geschichte,
00:17:18: man kann sagen voller Missverständnisse,
00:17:20: immer abwechselnd andere Richtungen.
00:17:23: Besprechen wir mal.
00:17:26: [Musik]
00:17:30: [Musik]
00:17:33: * Musik *
00:17:34: ♪ Musik ♪
00:17:36: Gehen wir zurück in die 80er Jahre.
00:17:42: Eine tödliche Krankheit wird bekannt.
00:17:45: Es wird sofort klar, die ist unheilbar.
00:17:47: Rock-Hatzen stirbt, der berühmte Schauspieler.
00:17:50: Alle sind entsetzt.
00:17:51: Freddie Mercury outtet sich als HIV-Positiv.
00:17:54: Die Welt war nicht nur geschockt, es gab eine globale Angst.
00:17:58: Ich kann mich sagen, wir sind beide Kinder der 80er.
00:18:00: Das war ein riesiges Thema.
00:18:02: Absolut, ja.
00:18:03: Erinnern Sie sich an diese Anfänge?
00:18:05: Ja, ich erinnere mich an die Schulzeit.
00:18:07: Man hat das fast in jedem Fach durchgenommen.
00:18:11: Das ist heute ganz anders.
00:18:12: Aber damals hatte man so viel Unwissenheit.
00:18:15: Ich weiß, dass ich groß geworden bin.
00:18:17: Mit Kissen muss man aufpassen.
00:18:18: Das hieß es noch in meiner Schulzeit.
00:18:21: Das ist mit Corona in keiner Form vergleichbar.
00:18:25: Und doch sehen wir da die ersten Reaktionen, die waren irgendwie sehr ähnlich.
00:18:31: Ich habe jetzt als Laie drüber nachgedacht,
00:18:34: dass Virus lauerte plötzlich überall.
00:18:36: Politik verstärkt durch die Medien, haben uns diesen Eindruck vermittelt.
00:18:40: Sehen wir auch als Geschäftsführerin hier vor fünf Jahren angefangen.
00:18:43: Auch diese Parallelen bemerkt?
00:18:45: Absolut, ja.
00:18:46: Wir hatten das auch im Asagi, hier im Ausschuss, soziales Arbeit,
00:18:50: Gesundheit und Integration in der Stadt.
00:18:52: Da sollte ich unsere Einrichtung vorstellen.
00:18:55: Da war eines der großen Themen, ob es denn so wäre,
00:18:59: dass es mehr Corona-Fälle bei uns in unserer Zielgruppe geben würde,
00:19:04: weil die vermutlich nicht zu Hause bleiben.
00:19:06: Ich habe das sofort in die Gegente gesagt.
00:19:08: Die sind Gesundheitsbewusster als viele andere Menschen.
00:19:11: Die sind Prävention gewohnt.
00:19:12: Die wissen genau, wie sie sich informieren können
00:19:15: und wie sie auch richtige und falsche Informationen aussortieren können.
00:19:19: Und waren mit einer der stabilsten Zielgruppen,
00:19:22: glaube ich, in dieser Corona-Pandemie.
00:19:25: Die sind Virus erprobt.
00:19:26: Die sind Virus erprobt, genauso.
00:19:28: Wie gründete sich... Es war ja wirklich 1985.
00:19:32: Rock hat es, glaube ich, starrt Ende des Jahres, 1985.
00:19:35: Wie gründete sich so früh die AIDS-Hilfe?
00:19:37: Es muss ja dann sehr, sehr klar hier auch ein Problem,
00:19:41: einen Bedarf in der Stadt gegeben haben.
00:19:43: Wir haben dieses große Uniklinikum.
00:19:45: Da gab es direkt auch eine Station,
00:19:47: eigentlich eine innermedizinische Station,
00:19:49: wo aber Menschen mit HIV behandelt wurden und auch starben.
00:19:53: Es hat sich also sehr, sehr schnell, gerade aus der schwulen Community,
00:19:57: eben auch eine Selbsthilfe-Organisation gebildet,
00:20:00: die hier dann eben eine AIDS-Hilfe aufgemacht hat
00:20:02: und die Menschen erst mal mit Sterben begleitet hat.
00:20:05: Das waren die Anfänger.
00:20:06: Und dann gab es Wellenbewegungen,
00:20:08: wie bei allem, was mediale Aufmerksamkeit bekommt
00:20:11: und auch wieder Entzogen bekommt.
00:20:12: Wie ging es denn weiter?
00:20:14: Die Angst steckte der Menschheit wirklich tief in den Knochen.
00:20:18: Eltern gaben das dann auch an ihre Kinder weiter und so weiter.
00:20:21: Die Betroffenen haben auch eine extrem,
00:20:24: eine beispiellose Ausgrenzung erlebt,
00:20:26: um zu beginnen.
00:20:27: Hat sich da was getan, positiv verändert?
00:20:30: Naja, also Diskriminierung ist eigentlich immer noch
00:20:32: eines der großen Schwachstellen in der ganzen Geschichte von HIV und AIDS.
00:20:37: Tatsächlich leben die meisten Menschen so heimlich auch heute noch,
00:20:41: weil sie überall diskriminiert werden,
00:20:43: egal ob im sozialen Umfeld,
00:20:45: ob auf der Arbeit oder eben auch im medizinischem Kontext.
00:20:49: Es ist wirklich so, dass Diskriminierung das Schlagwort eigentlich ist,
00:20:53: dass wir hier dauerhaft bekämpfen müssen.
00:20:56: Mal zur Vollständigkeit.
00:20:58: Es gibt keinen Grund, mit HIV-positiven Menschen anders umzugehen.
00:21:01: Fragezeichen.
00:21:02: Ja, genau.
00:21:03: Ich meine, wenn man Sex hat, sollte man sich schützen,
00:21:06: bei Blutkontakten ebenfalls.
00:21:08: Aber es gibt Erkrankungen, die sind weitaus leichter übertragbar,
00:21:11: vor dem man sich ebenfalls schützen sollte.
00:21:13: Also ja.
00:21:14: Ihre Aufgabe ist es ja auch uns allen,
00:21:16: auch der ganz, unser ganz schönen Stadt, diese Angst zu nehmen.
00:21:19: Das heißt, Dinge, Sie haben Küssen schon angesprochen,
00:21:22: Handschütteln, da ging ja auch damals, ich erinnere mich dran,
00:21:25: da wurde ja dann auch so kleinste Verletzungen in der Hand oder so was.
00:21:29: Könnten schon zu Blutübertragungen, das war ja wirklich, man wurde ja wahnsinnig.
00:21:33: Das Büro zu teilen, also ich, die selbe Gabel zu benutzen.
00:21:38: Welche Vorteile gibt es noch oder hören Sie noch?
00:21:41: Ach, es gibt so vieles, es rufen Menschen auch an,
00:21:45: weil sie glauben, in einem Joghurtböcher hätten sie rote Streamen gesehen.
00:21:49: Also, dass es selbst in der Verarbeitung von Lebensmitteln dazu kommt,
00:21:54: dass man sich eventuell infizieren könnte.
00:21:56: Es gibt im Arbeitsalltag ganz, ganz viele Menschen mit HIV,
00:22:00: die sich bei uns melden und sagen, könnte ihr meinen Arbeitgeber
00:22:03: oder eben auch die Kollegen drum herum aufklären,
00:22:05: weil das alleine schwierig ist, sich Gegenstände zu teilen.
00:22:09: Es gibt immer die einen oder anderen, es gibt gut informierte Menschen,
00:22:13: das will ich nicht absprechen, aber es gibt wirklich viele,
00:22:15: die auch einfach so eine Angst mit sich tragen,
00:22:18: die selbst, wenn man es besser weiß,
00:22:21: aus dem Bauch heraus nicht anders umgehen können.
00:22:24: Also, wenn man sich selber mal vorstellt,
00:22:27: man teilt sich ein Glas mit einem Menschen mit HIV,
00:22:30: dann denkt man vielleicht, ja klar, es ist kein Problem.
00:22:32: Aber wenn man es dann tut, ist es noch mal eine ganz, ganz andere Art und Weise
00:22:36: der Überwindung.
00:22:37: Und wenn man sich dann vorstellt, es gibt Menschen, die tun das aus Versehen,
00:22:41: dann geraten die in Panik.
00:22:43: Und das ist eben etwas, das müssen wir einfach dauerhaft bekämpfen.
00:22:47: Und wenn das wahrscheinlich niemals können, denn das ist ja auch allzu menschlich.
00:22:51: Ich habe gerade ein rotes Auge vom Heuschnupfen.
00:22:54: Wenn ich jetzt durch die Straße gehen würde und mich sieht ein Kind,
00:22:57: würde es mir wahrscheinlich aus dem Weg gehen.
00:22:59: Was weiß ich?
00:23:00: Es ist eine Uhr angstig, mit irgendwas anzustecken.
00:23:02: Es ist nur Frühblüher.
00:23:03: Das erwartet sich auch noch, mein Junge.
00:23:05: Ach so, kurze Frage mal noch dazu, was Sie jetzt gerade erzählt haben.
00:23:08: Sie haben gerade gesagt, könnt ihr mal mein Arbeitsumfeld aufklären,
00:23:12: woher weiß denn das Arbeitsumfeld von der HIV-Infektion?
00:23:15: Das muss ich dann schon als Betroffene offen erzählt haben.
00:23:18: Ja, genau.
00:23:19: Also das ist mittlerweile nicht mehr so, dass man das labeln darf.
00:23:22: Das ist tatsächlich auch mal anders gewesen, aber das passiert seltener.
00:23:26: Aber man möchte sich ja auch ganz gerne mit Kollegen austauschen,
00:23:31: hat es vielleicht auch erzählt.
00:23:33: Und anders ist es auch, man hat natürlich auch die Notwendigkeit,
00:23:36: Medikamente zu nehmen.
00:23:37: Das ist vielleicht zu einer bestimmten Tageszeit, dann fällt es auf.
00:23:39: Was nimmst du da?
00:23:40: Dann antwortet man.
00:23:41: So was kommt schneller raus, als man denkt.
00:23:44: Und dann nimmt es seinen Lauf.
00:23:46: Ich erfahre, dass eine Person aus meinem Umfeld sich mit HIV infiziert hat.
00:23:50: Was raten Sie mir im Umgang mit Ängsten?
00:23:52: Wie verhalte ich mich so, dass Sie stolz auf mich wären?
00:23:55: So macht man das.
00:23:56: So wie der Herr Häusler das macht, so macht man das.
00:23:58: Ja, ich sage einfach immer Fragen stellen.
00:24:01: Also ich glaube, das Beste ist nichts vorauszusetzen,
00:24:03: sondern wenn man Angst im Umgang mit Menschen hat, egal woher sie kommen
00:24:07: und was mit ihnen ist, Fragen stellen.
00:24:09: Man darf Vorurteile haben.
00:24:11: Niemand von uns ist vorurteilsfrei.
00:24:13: Aber offen mit seinen Vorteilen umzugehen und sie vielleicht auch einfach mal zu negieren,
00:24:17: das ist die Aufgabe seines Lebens.
00:24:20: Man muss sich einfach weiterentwickeln.
00:24:23: Wenn Sie Vorurteile mir gegenüber haben, können wir das ja am Ende der Folge noch in einem Bonus teilmachen.
00:24:28: Wir haben besprochen, warum es die AIDS Hilfe gibt.
00:24:39: Warum gibt es Sie so engagiert seit 2004 bei der AIDS Hilfe Essen?
00:24:44: Eigentlich durch ein Zufall.
00:24:46: Es war mein letztes Praktikum im Studium.
00:24:48: Und auf dem schwarzen Brett in der Uni hingen der Flyer von hier für die Praktikumstelle.
00:24:53: Und ich dachte, ich habe so viel im Jugendbereich gemacht.
00:24:55: Ich mache nochmal was im Bereich Erwachsenenbildung.
00:24:58: Das gehört hier zur Erwachsenenbildung?
00:25:00: Ja, tatsächlich.
00:25:01: Wir sind ja auch ein Teil der Gesundheitsförderung und Pflege der Gesundheitsförderung.
00:25:04: Die Frage ist ja gar nicht nur, warum kommt man hin, sondern warum bleibt man?
00:25:09: Das wäre die nächste Frage.
00:25:10: Sie sind Diplom-Sozialpädagogin.
00:25:12: Sie haben hier Praktikum gemacht.
00:25:15: Systemische Beraterin sind Sie auch noch.
00:25:17: War das dann auch relativ schnell klar schon im Praktikum,
00:25:20: das ist der Bereich, in dem ich mein Leben einsetzen möchte?
00:25:23: Ja, tatsächlich.
00:25:25: Ich hatte eigentlich mir immer vorgenommen im Studium.
00:25:27: Ich bleibe höchstens sieben Jahre, war einem Arbeitgeber oder eine Arbeitgeberin
00:25:31: und dachte dann, das ist hier wirklich toll, um viel zu lernen.
00:25:36: Wie kommst du denn auf sieben Jahre?
00:25:38: War das so eine schöne Zahl?
00:25:39: Genau, sieben war schön.
00:25:41: Einfach nur so.
00:25:43: Wenn man sonst keine Challenges hat,
00:25:45: dann möchte ich alle sieben Jahre meinen Beruf wachsen.
00:25:47: Genau, spätestens.
00:25:48: Es ging so darum, dass man irgendwann muss sich erstmal einarbeiten
00:25:51: und dann kann man sich gut einbringen, kann man sich weiterentwickeln.
00:25:53: Aber irgendwann dachte ich, es ist dann auch so ein Punkt,
00:25:55: an dem man vielleicht auch einfach nochmal was anderes sehen will.
00:25:57: Hier gab es so viel.
00:25:59: Hier gibt es Öffentlichkeitsarbeit.
00:26:01: Ich habe Vernetzungsarbeit.
00:26:03: Ich mache Beratung mit Menschen im Einzelnen.
00:26:05: Ich kann mich individuell auf alle Menschen einstellen.
00:26:08: Wir haben so ein Allround-Konzept.
00:26:10: Ich dachte, das ist genau das, wo ich mich super in den ersten Jahren
00:26:13: meiner sozialarbeiterischen Tätigkeit einbringen kann.
00:26:16: Ja, dann bin ich irgendwie geblieben.
00:26:20: Ich habe dann Projekte entwickelt.
00:26:22: Wir hatten dann einen Migrationsbereich,
00:26:24: wo ich sagte, Migranten aus subzahra Afrika brauchen spezielle Angebote.
00:26:27: Dann habe ich die Projektleitung übernommen.
00:26:29: Dann bin ich in die Fachbereichsleite und dachte,
00:26:31: eigentlich ist das ja auch ein neuer Job.
00:26:33: Wenn ich jetzt brauche, dann brauche ich ja nicht den Träger wechseln.
00:26:35: Dann kam es eben hart auf hart.
00:26:37: Der erste Geschäftsführer starb, der zweite starb jetzt dann eben auch nochmal.
00:26:40: Somit kam jetzt auch nochmal der neue Wechsel in die Geschäftsführung.
00:26:45: Somit habe ich schon das Gefühl,
00:26:47: eigentlich immer auch neue Jobs gehabt zu haben in diesen 20 Jahren.
00:26:50: Ja, das ist so ein Haus der tausend Türen.
00:26:53: Irgendwas anderes los.
00:26:55: Essen hat sich als Stadt im Wandel ja sehr mit sich selbst beschäftigt.
00:26:59: Also wenn es um soziale Themen ging, dann allerdings häufiger eher so nachkohle Themen.
00:27:04: Sind da Entwicklungen wie zum Beispiel die, die ihr Haus jetzt bearbeitet, auf der Strecke geblieben?
00:27:10: Ich würde sagen, wir fangen gerade an, dass wir auf der Strecke bleiben.
00:27:13: Also gerade so das letzte Jahr eigentlich macht ja einen großen Umbruch,
00:27:17: was den sozialen Bereich angeht.
00:27:19: Also man hat es ja im letzten Jahr mitbekommen,
00:27:21: das betrifft nicht nur AIDS-Hilfe, sondern den ganzen sozialen Bereich.
00:27:24: Das einfach soziale Arbeit nicht mehr so viel wert scheint,
00:27:27: wie es das noch in den letzten Jahren schien.
00:27:30: Sie sprechen von den Kürzungen auf Landesebene?
00:27:33: Ja, Landesebene, die sich aber natürlich auch kommunal immer widerschlägt.
00:27:37: Es ist auch im Bundeshaushalt natürlich so,
00:27:39: dass wenn man dann über Einsparungen spricht,
00:27:41: eben schneller im sozialen Bereich sparen kann und will.
00:27:44: Und das merken ja nicht nur wir, sondern eben auch alle sozialen Träger.
00:27:47: Weil Sie die Schwächeren sind?
00:27:50: Ja, man setzt eben Daten, wo sozusagen die wenigsten auf die Barrikaden gehen.
00:27:55: Und das ist eben gerade die Minderheiten in unserer Gesellschaft.
00:27:59: Ist Ihre Perspektive, um die geht es uns ja hier im Podcast,
00:28:03: stellen Sie Probleme in speziellen Stadtteilen häufiger fest?
00:28:08: Haben wir auch zum Beispiel auch da ein Nord-Süd-Gefälle in eine oder andere Richtung?
00:28:12: Hm, nee, würde ich nicht sagen.
00:28:15: Also man kann eigentlich nicht sagen, dass HIV-Wissen sich in bestimmten Schichten anders verbreitet.
00:28:22: Ganz im Gegenteil, auch wenn wir im Süden in einer Schule sind,
00:28:26: egal ob wir im Gymnasium sind oder in einer Hauptschule,
00:28:28: gibt es immer Menschen, die haben Ahnung, es gibt Menschen, die haben keine Ahnung.
00:28:31: Ja, da ist das Leben immer ganz gerecht.
00:28:34: Was wünschen Sie sich für Ihre Arbeit?
00:28:36: Also ich darf einmal erwähnen, dass die Sparkasse essen,
00:28:39: ich glaube auch den Aufzug spendiert hat, in dem ich hier hochgefahren bin.
00:28:42: Und ein Teil der Terrasse und Teil des Cafés.
00:28:46: Und ein Transporter.
00:28:48: Auch das noch, ja, die Sparkasse ist wirklich sehr untribbig in unserem Bereich.
00:28:52: Das stimmt tatsächlich.
00:28:53: Das ist alles, was ich mir nur gemerkt habe.
00:28:55: Ja, ja, ja.
00:28:56: Ich wollte mich nicht unterbrechen.
00:28:57: Die Frage war eigentlich, was ich mir wünsche für die Ärzte.
00:28:59: Genau, es ist gut, dass Sie so konzentriert bleiben.
00:29:01: Was wünschen Sie sich für Ihre Arbeit?
00:29:03: Genau, ich wünsche mir, dass die Menschen weiterhin eine Anlaufstelle finden
00:29:07: und dass die Menschen in der Gesellschaft weiterhin offen bleiben
00:29:10: und für jeden in der Gesellschaft.
00:29:13: Dass es keine Teilung gibt zwischen Alt, Jung, zwischen Arm, Reich.
00:29:19: Und natürlich wünsche ich mir auch gerade im Speziellen für die AIDS Hilfe,
00:29:23: dass Menschen mit HIV ganz unbeschwert in Essen leben können.
00:29:27: Sie wissen, Sie kriegen am Ende noch die Plakatwand.
00:29:29: Jetzt haben Sie schon sehr, sehr große Worte gefunden.
00:29:31: Okay.
00:29:32: Mal gucken, ob Ihnen da gleich noch was Zweites zu haben.
00:29:34: Oh, okay.
00:29:38: Aber erst mal steht was Feierliches an.
00:29:41: Also abgesehen davon, dass Sie fünf Jahre Geschäftsführung feiern im Mai.
00:29:45: 40 Jahre AIDS Hilfe.
00:29:47: Wie feiern Sie das?
00:29:48: Tatsächlich vermutlich sehr, sehr klein.
00:29:51: Auch das liegt daran, dass wir einfach sparen müssen, wo wir können.
00:29:55: Wir haben sonst eigentlich jedes fünfjährige auch immer etwas größer gefeiert
00:29:59: in einem größeren Rahmenkreuzeskirche oder wir waren eben auch im Europahaus
00:30:03: oder auch in der Frieder-Levi.
00:30:05: Aber in diesem Jahr wird es vermutlich eher was werden wie auch in den Corona-Jahren,
00:30:09: wo wir uns etwas ausdenken, um nochmal aufs Thema aufmerksam zu machen,
00:30:13: aber nicht groß einladen werden.
00:30:15: Vor fünf Jahren gab es immerhin einen Comic, den ich gesehen habe.
00:30:18: Ja, tatsächlich.
00:30:19: Wir können ganz besonders positiv, glaube ich, heute auch nochmal schließen,
00:30:24: weil die medikamentöse Möglichkeit, diese Krankheit zumindest in Schacht zu halten,
00:30:31: extreme Fortschritte gemacht hat, auch in den letzten zehn Jahren nochmal.
00:30:34: Absolut.
00:30:35: Wie sehr eigentlich?
00:30:36: Ohne die Gefahr herunterzuspielen?
00:30:38: Ich lasse, dass man Medikamente nimmt, das ist ja immer so ein Cocktail,
00:30:41: der die Belastung so gering, so runterdrückt im Blut,
00:30:44: dass ich sie selbst bei ungeschütztem Gestärksverkehr nicht mehr übertrage?
00:30:48: Genau.
00:30:49: Das ist unter der Nachweiscrenz, so nennt man das.
00:30:52: Das heißt, die Viren sind im Blut nicht mehr nachweisbar,
00:30:54: weil sie so gering in der Anzahl sind.
00:30:56: Und dann sind sie eben auch selbst bei Blut und selbst bei Sperma nicht mehr übertragbar.
00:31:01: Selbst Muttermilch.
00:31:02: Man könnte selbst stillen.
00:31:04: Das war vorher ein Risiko?
00:31:05: Also es ist ein Risiko, wenn man nicht behandelt ist.
00:31:08: Es ist kein Risiko unter Behandlung.
00:31:10: Das Wissen ist nur neu.
00:31:12: Die Medikamente sind gut.
00:31:13: Die Medikamente sind seit den 95ern gut,
00:31:16: weil sie auch immer weniger Nebenwirkungen kriegen.
00:31:18: Wir kriegen immer neue Angreifpunkte.
00:31:20: Selbst Resistenzen, die sich bilden,
00:31:22: können dann auch über andere Medikamentengruppen wieder aufgefangen werden.
00:31:26: Wir haben wirklich sehr, sehr vielseitige Möglichkeiten in dem Bereich.
00:31:29: Das sind keine Bombons.
00:31:31: Das muss man wirklich auch noch mal sagen.
00:31:33: HIV-Medikation ist ein harter Cocktail.
00:31:36: Man sollte wirklich schauen, wie und wann man ihn einsetzt.
00:31:40: Wir sind ja auch sehr dafür, auch die PrEP zu nutzen für eine HIV-Prävention,
00:31:46: wenn man das als Risikomanagement neben dem Kondom oder anstatt eines Kondoms nutzen will.
00:31:51: PrEP ist eine HIV-Medikation zur Prävention,
00:31:55: also um sich gar nicht erst mit HIV zu infizieren.
00:31:58: All das sind Sachen, die man wirklich gut nutzen kann.
00:32:01: Man muss sich nur dessen klar sein.
00:32:03: Das sind wirklich harte Medikamente.
00:32:05: Sie verfolgen natürlich die Medienlandschaft da konkreter und die Wissenschaft.
00:32:09: Gibt es die Chance?
00:32:11: Sehen Sie das am Horizont, dass wir HIV heilen können?
00:32:15: Es gibt immer wieder neue Ansätze.
00:32:17: Ich hoffe auf das Beste.
00:32:19: Ich bin im Moment noch nicht sehr zuversichtlich,
00:32:22: dass wir da schon den Casus knaktus gefunden haben.
00:32:24: Es gab ein, zwei Fälle?
00:32:26: Ja, es gibt Fälle, die haben alle dasselbe.
00:32:29: Nämlich eine Krebserkrankung, die fast tödlich ist.
00:32:33: Den fehlt ein bestimmtes, da bin ich medizinischer Leier, ich sage immer,
00:32:37: Chromosomus ist falsch, aber ein bestimmtes Element,
00:32:41: wo der Virus dann nicht andocken kann.
00:32:43: Und wenn man dann über die Behandlung des Krebses
00:32:46: eben dieses Gen ausschaltet, wo eben HIV nicht andocken kann,
00:32:50: dann ist eine Heilung möglich.
00:32:52: Klingt kompliziert?
00:32:54: Ja, es ist auch.
00:32:56: Sie merken auch, selbst ich krieg es nicht so flüssig über die Lippen,
00:32:59: wie es jetzt der Mediziner tun würde.
00:33:01: Das ist so der Fall, aber es ist tatsächlich nicht für die allgemeinen Bevölkerung
00:33:04: möglich, sich so heilen zu lassen.
00:33:07: Ihr klingt aber auch so, dass Sie noch eine ganze Weile hier Arbeit haben.
00:33:10: Alle Gäste bekommen von uns die Plakatwand,
00:33:13: also die Sie frei füllen können, hier, akustisch im Podcast.
00:33:16: Welche Botschaften, Sie können auch malen,
00:33:18: aber welche Botschaft haben Sie an uns?
00:33:20: Kann alles sein, Sie haben da völlig freies Spiel.
00:33:23: Ich würde ganz gern nochmal darauf eingehen,
00:33:25: dass die ACF mehr als nur HIV ist.
00:33:27: Wir kümmern uns hier um Menschen, rund um LSBTIQ.
00:33:31: Wir stehen für eine Gesellschaft von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.
00:33:37: Wir möchten, dass Menschen in Essen sich so frei bewegen können,
00:33:41: ohne Angst zu haben, nicht nur Angst vor Gewalt,
00:33:44: sondern auch Angst vor Diskriminierung,
00:33:47: egal ob bei welchem Arzt oder Arbeitgeber sie sich bewerben,
00:33:51: einen Termin bekommen, so wie es die anderen Menschen auch bekommen würden.
00:33:55: Gleichbehandlung.
00:33:57: Diese Plakatwand-Beschriftung, die könnte ich in jede einzelne Folge
00:34:03: immer gleich mit zusätzlich reinkopieren,
00:34:05: egal was meine Gäste noch zu sagen, wunderschöne Schlussworte.
00:34:08: Daniela Flötkin, Dankeschön für Ihre Zeit.
00:34:11: Sehr gerne, danke.
00:34:13: Dann hat sie mir noch gesagt, diese Arbeit in diesem Team,
00:34:16: die geht nicht mit Angst oder Sorge oder übertriebenem Mitleid.
00:34:19: Es geht nur mit Lebenslust, es geht nur mit Leichtigkeit,
00:34:22: bei aller Ernsthaftigkeit.
00:34:24: Und das spüren Sie übrigens auch dort, egal wo Sie mit dem Sparkassenaufzug hinfahren,
00:34:29: in welcher Etage Sie aussteigen,
00:34:31: ist immer eine besondere Freundlichkeit, Fröhlichkeit, Hüftlichkeit.
00:34:35: Bleibt so auf die nächsten 40 Jahre, liebe AIDS-Hilfe.
00:34:39: Und wir hören uns wieder am zweiten Dienstag im April zur nächsten Folge
00:34:44: oder in einer der anderen 54 Folgen, die es schon gibt.
00:34:47: Aber gemeinsam hören wir vor allem jetzt,
00:34:49: es wird endlich Frühling hier in unserer schönen Stadt.
00:34:54: Das war Zu Hause in Essen, ein Podcast der Sparkasser Essen.
00:35:00: Die neue Folge, jeden zweiten Dienstag im Monat.
00:35:05: [Musik]
Neuer Kommentar